FRIEDRICH WILHELM SCHLÖFFEL
Abb.: Herder Institut
Auf den ersten Blick ist Friedrich Wilhelm Schlöffel kein typischer Revolutionär: Studierter Apotheker, Leiter einer großen Fabrik in Eichberg und wohlhabender Besitzer von mehreren Rittergütern. Aber der Eindruck täuscht. Zeit seines Lebens setzt sich Schlöffel leidenschaftlich für die Ärmsten der Armen ohne politische Stimme ein. Mit Petitionen, Publikationen und politischer Arbeit bis in die Nationalversammlung engagiert er sich für die schlesischen Arbeiter und gegen die adligen Grundbesitzer, macht auf Missstände, Machtmissbrauch und herrschaftliche Willkür aufmerksam und gerät dadurch selbst immer wieder in den Fokus der Behörden. Sogar eine Anstachelung der Bevölkerung zum Schlesischen Weberaufstand, in Zusammenarbeit mit Bettina von Arnim, wird ihm vorgeworfen.
Sein Engagement macht ihn in der schlesischen Bevölkerung zu einem angesehenen und populären Mann. Als er sich am Vorabend der Revolution nach vielen Jahren aus seiner Heimat verabschiedet, dichtet man dort ein Lied über ihn, in dem es heißt: „Ja, Schlöffel soll die Bürgerkrone tragen in seines Strebens Lauterkeit! Ein jedes wackre Herz soll für ihn schlagen, er sprach für Recht und Ruf der Zeit.“.
Schlöffel wird am 24 Juli in Brieg (heutiges Polen) geboren und besucht dort das Gymnasium. Sein Vater ist Hutmacher.
Nach Apothekerlehre und Studium an der Universität Berlin sowie einjährigem Militärdienst, arbeitete Schlöffel bis 1931 in seiner eigenen Apotheke in Landeshut. Dort ist er kommunalpolitisch tätig, etwa ab 1825 Stadtverordnetenvorsteher.
Schlöffel heiratet Franziska Peschke. Ihr gemeinsamer Sohn Gustav Adolf, geboren 1828, wird ebenfalls Revolutionär und stirbt 1849 bei Waghäusel in einem Gefecht mit preußischen Soldaten.
In Eichberg bei Hirschberg baut er eine Papierfabrik mit auf, deren Leiter er zwischen 1837 und 1846 ist. In diesen Jahren tritt er ebenfalls (kommunal-) politisch auf. So erwirkt er zum Beispiel, dass ein Grundherr mehrere Kommunalwege nicht für die Allgemeinheit sperren darf.
In seiner Broschüre „Erfahrungen und Bedenken eines schlesischen Freistellenbesitzers“ klärt Schlöffel über Machtmissbrauch durch die Grundherren auf.
Für einen Bericht von Bettina von Arnim über die herrschende Massenarmut führt Schlöffel rund 100 Befragungen zu ihren Lebensverhältnissen bei Webern und Spinnern durch. Gegen Schlöffel und die Befragten gibt es daraufhin polizeiliche Untersuchungen. Der Bericht selbst wird nie veröffentlicht, nachdem der Vorwurf laut wurde, der Bericht habe den Weberaufstand vom Juni 1844 begünstigt.
Wegen seiner angeblichen Beteiligung an der kommunistischen „Warmbrunner Verschwörung“ kommt er, angeklagt wegen Hochverrats, für einige Monate in Haft. Nach seinem Freispruch im Januar 1846 veröffentlicht er den Bericht „Mein Prozeß wegen Anklage auf Hochverrath“, der die richterliche Willkür der Zeit anprangert und große Beachtung findet; auch weil er ein wohlhabender Fabrikbesitzer ist.
In der Revolution wird Schlöffel zu einem der führenden Köpfe des demokratischen Flügels der bürgerlichen Oppositionsbewegung in Schlesien und ist sowohl Mitglied des Vorparlaments als auch der Paulskirche, wo er sich der Fraktion Donnersberg anschließt. In der Nationalversammlung setzt er sich vor allem für die entschädigungslose Aufhebung aller Feudallasten ein und ist der erste Abgeordnete, der die Soziale Frage anspricht.
Aufgrund seiner Teilnahme bei den Frankfurter Septemberunruhen, bei denen er als einer der prominenten Redner auf der Pfingstweide aufgetreten war, will das Frankfurter Gericht seine Immunität als Abgeordneter aufheben, um ihn verurteilen zu können. Von der Nationalversammlung wird dies abgelehnt.
Schlöffel ist Teil des badisch-pfälzischen Aufstandes als Oberkriegskommissar. Als dieser niedergeschlagen wird, flieht er in die Schweiz und von dort in die USA nach Philadelphia und arbeitet als Gastwirt. Erst nachdem er 1866 amnestiert wurde, kehrt er nach Schlesien zurück.
In Abwesenheit wird er vom Schwurgericht in Zweibrücken wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.
23. Januar 1870: Schlöffel stirbt in Goldberg.
Resümieren wir Gesagtes in kurzen Worten, so muss der in gesundem Staatsleben unmögliche Zustand aufhören, wenn
1) Das preußische Gouvernement die Notwendigkeit der gewerblichen Industrie im Staate anerkannt haben wird, und
2) nach dem Beispiele desjenigen Staates, wo Industrie und Handel einen nachahmenswürdigen Höhepunkt erreicht haben, für eine mit dem Bedürfnisse fortschreitende Gesetzgebung gesorgt werden, was
3) nur durch harmonisches Zusammenwirken der Theoriemänner – Beamten – mit den praktisch erfahrenen, sachverständigen Männern aus dem Volke möglich ist, wenn
4) die Verfassung ohne Rücksicht auf Stände eine Gliederung gestattet, mit der nicht die Interessen einzelner Stände, sondern die Interessen Aller, das heißt des ganzen Volkes wahrgenommen werden, womit
5) der Staat aufhören wird, ein bloßer Agrikulturstaat zu sein, und in der Folge dessen
6) Gleichheit vor dem Rechte, Öffentlichkeit des Gedankens und der Tat einer Volkskraft erzeugen wird, welche Preußen vor jeder inneren Not bewahren und jedem äußeren Feinde gegenüber gerüstet und kampfgerecht halten wird.
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
Verehrungswürdigste, gnädige Frau!
[…] Sie haben sich allerdings an den rechten Mann gewendet, wenn ein seit 20 Jahren bürgerlich im engsten Verkehr mit der Armut stehender Mann überhaupt ein Urteil über diese Verhältnisse haben kann. Mancher Hochgestellte zweifelt zwar an der Berechtigung und meint es sich allein vindicieren zu können, dergleichen Leute nennen ich Autoritäten und schätzen andere =0 oder darunter. Wer diesen Autoritätsmännern gegenüber dennoch eine Meinung hat und solche würdig geltend machen will, läuft Gefahr für einen Demagogen oder, im glücklichen Falle, für einen leidenschaftlichen, unruhigen Menschen gehalten zu werden. In diesem Falle mag ich mich wohl befinden, denn so manchen Vorwurf musste ich für meine gegen das Unrecht gerichtete Opposition hinnehmen. Dies hatte indessen auf meine Gesinnung keinen nachteiligen Einfluss, denn ich wollte nie etwas für mich, wenn ich kämpfte, geschah es für Andere, ja im Interesse der Gesamtheit.
In dieser Absicht handelnd, konnte es nicht fehlen, dass Unglückliche, welche zur Rettung ja nach Strohhalmen greifen, sich auch an mich zu klammern suchten, und so kam es denn, dass sich viele Mitbrüder an mich wenden, in mir einen Freund suchen und auf meinen Rat einigen Wert legen.
[…] Am 9ten [des Monats] Sonnabend trat ich in die Arbeitssäle meiner Arbeiter und trug dem Aufseher auf, mir aus einigen Dörfern einige arme Spinner und Weber für den folgenden Tag in meine Wohnung zu bestellen.
Sonntag früh 7 Uhr standen schon mehr als 50 solcher Unglücklichen in meinem Hause, die Kopf an Kopf gedrängt sich bis auf Hundert mehrten. Ich konnte nicht hindern, alle baten mich, ihres Notstandes zu gedenken und so schrieb ich denn deren Aussagen bis abends 8 Uhr nieder. Ich kann es Ihnen, verehrungswürdigste Frau nicht beschreiben, was ich dabei gelitten. Als ich Nachmittag 2 Uhr eine halbe Stunde zum Essen und zur Erholung in Anspruch nahm, wollte ich nicht mein Mittagsbrot an den Unglücklichen vorübertragen lassen, ich wollte ihnen nicht wehe tun, indem ich sie die Entbehrung doppelt empfinden ließe, denn das im Hause befindliche Brot war bereits verteilt; ich gab ihnen etwas und schickte sie ins Wirtshaus, damit sie sich durch einen Trunk erquicken möchten. Was taten die Armen dort? Sie tranken nicht, sie kauften sich Brot, welches sie gierig verschlangen.
Warum sehen denn dies die vornehm und kalt über das Elend absprechenden Verehrer der Mäßigkeits-Vereine nicht, welche sich, [zum Teil] vom Schweiße der Armen bereichern, an voller Tafel bei köstlichem Weine so wacker gütlich zu tun wissen und über der Armen Hang zur Amoralität gewaltig den Stab brechen. Ach ja, warum sehen es die Mächtigen nicht?
Wird das Übel nicht an der Wurzel erfasst und ausgerottet, [das heißt] werden die Mächtigen nicht wärmeren Herzens und entsagen den nur Willkürakte erzeugenden Vorrechten, dann wuchert das Übel entsetzlich weiter; schwer wird sich dann das Geschick der Schwachen – für die keine Gesetze, keine Rechte, keine Behörden vorhanden sind – rächen, und alle sogenannten frommen Vorkehrungen werden das Unvermeidliche nicht zu hindern vermögen.
Die täglich zu mir kommenden Armen wollen Alle notiert sein, weil sie Hilfe in ihrer Not erwarten. Ein harter Stand für mich, sie abzuweisen.
Wenn Sie verehrungswürdigste Frau von dortigen Wohltätern einen Beitrag für meine Armen erhalten könnten, wie glücklich wäre ich, wenn ich mich über die mit Vermittlung der Ortsschulzen bewirkten Verteilung bei Ihnen zu legitimieren vermöchte. Vergeben Sie diesen Gedanken, den ich von den Armen gedrängt mir zu erlauben, warum sollte ich denn nicht und namentlich Ihnen gegenüber für Hungernde bitten?
[…] Soeben erfahre ich, dass der Wirtschaftsverwalter auf dem Prinzlichen Dominio Schildau diejenigen armen Leute, welche sich am 10ten [des Monats] bei mir eingefunden, mit harten Vorwürfen verfolgt und einzelne sogar mit Stockhausstrafen bedroht habe, weil sie sich hätten beikommen lassen über Not zu klagen. Die Armen sollen gänzlich eingeschüchtert dem allgemein als hart bekannten Mann […] nicht entschieden geantwortet haben. Der Mann mag seine guten Gründe haben, dass die Stimme der Schildauer nicht laut werde, darum sucht er den Ärmsten auch noch das Recht, über Hunger zu klagen, durch Drohungen zu entziehen. So gehen rohe, fühllose, eigennützige Subalterne in Abwesenheit der Grundherrschaft mit den Ostbewohnern um, in solchen Händen ruht die Ausübung der Polizei-Gerichtsherrlichen Gewalt!
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
Verehrungswürdigste, gnädige Frau!
Mein Zweck ist erreicht, ich sehe mich endlich verstanden, – ich will mich glücklich schätzen, wenn ich etwas zur Linderung der Not und Erringung eines besseren, vernünftigeren Zustands beizutragen vermöchte. Ich habe keinerlei Bedenken, meinem Namen zu meinem Gesagten zu geben, und bin in jeder Beziehung mit Ihren Anordnungen einverstanden. Weiterlesen
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
Unser Unglück ist der Egoismus, mit dem nicht allein die Reichen, sondern auch die notleidenden Armen behaftet sind. Die wohlgenährten Reichen haschen […] nach Vermehrung ihres Eigentums und Genüssen, sie befinden sich in der Lage, Diener, Gehilfen etc. zu besolden, welche wiederum in Befriedigung ihrer Bedürfnisse unersättlich und unausgesetzt bemüht sind, die Zufriedenheit der Soldgeber zu erlangen, d.h. ihnen zu nützen, wobei sie nicht leer ausgehen. Dass in dieser Manier beschäftigte Naturen, in mit kostbaren Essenzen geräucherten Salons, nicht gemacht sind, die verpestete Jammerhöhlen aufzusuchen, wo eine Masse Menschen zusammengepfercht auf faulem Strohe sich vor dem nagenden Hunger flüchten, ist begreiflich. Diese vom Schicksale mit Vorrechten reich ausgestatteten Erdbürger haben Alles, sie stehen in treuer Bruderliebe mannhaft zusammen, um jeden möglichen Laut der Unzufriedenheit ritterlich niederzukämpfen. Sie bilden als Unterdrücker in geschlossener Phalanx eine Abteilung, um den armen, trostlosen Unterdrückten entgegen zu arbeiten; indem sie so christlich mild und schonend das Laster ihrer Glieder […], brechen sie ritterlich unbarmherzig über Trägheit, Unwissenheit, Liederlichkeit, und mangelnde Frömmigkeit der Armen den Stab. Dies ist der Egoismus der wohlgenährten Reichen, welche nicht für notwendig halten, des kleinen Zufalls dankbar eingedenk zu sein, der sie im Überfluss geboren werden ließ.
Wären Fürsten in Jammerhöhlen geboren und unter qualvollen Misere groß gewachsen, sie hätten sicher ein Gedächtnis für die Leiden der Unterdrückten und würden gewaltig die scham- und gefühllosen Unterdrücker zu Paaren treiben. – So wollen und dürfen wir ihnen keinen Vorwurf daraus machen, wenn die Gewalt der Umstände ihre Augen umflort haben. Dass die Fürsten nicht sehen, das gereicht ihnen nicht zum Vorwurfe, weil der Mensch nicht über seinen Gesichtskreis hinaus zu sehen vermag. Dass Fürsten aber nicht hören mögen, dass sie auf den Rat ihrer pfiffigen Diener, die Gedanken nicht zum Worte sich gestalten und an ihre Ohren dringen lassen wollen, das gereicht ihnen zur Schmach, wofür sie einst schwere Rechenschaft tragen werden, wenn die Unterdrückten, die Armen zur Verzweiflung gehungert nicht aus Tugend, sondern aus alle Rücksichten bewältigender Not dem raschen Tode den Vorzug geben und Mut und Bruderliebe zeigen werden, wie Ein Mann treu zusammenzustehen und zu erzwingen, was ihnen gebührt, wenn Gottes ewige Vaterliebe und Gerechtigkeit keine Lüge ist.
In diesen Tagen trat ich in die Hütte des armen, alten Familienhauptes […]. Denken Sie sich einen 65jährigen Mann, der noch vor zwei Jahren rüstig und wacker dachte und aller Not mannhaft entgegenkämpfte, jetzt in einem kleinen Stübchen mit seiner 63jährigen Ehefrau – welche seit 1 Jahre fest liegend nicht mehr Gebrauch von ihrem zum Skelett abgezehrten Körper machen kann, mit 1 Tochter, welche am 8ten Tage nach der Entbindung 3 kleine Kinder, in Abwesenheit ihres jetzt 8 Meilen entfernt als Tagelöhner arbeitenden Mannes, die kranke Mutter und den abgehärmten Vater pflegt. Der 65jährige, dem Jammer verfallene Greis, hat seinen Glauben an Gottes Barmherzigkeit verloren, weil der Allgütige ihn in seinem namenlosen Elende vergessen habe und die Frau, welche er immer zärtlich geliebt, nicht ausspanne. […]
Der alte Mann, welcher seit Weihnachten nur mit Spinnen sich nährt und täglich höchstens 6 Pfennige verdient, wird von dem Gedanken fast erdrückt, dass er Abgaben […] schulde, er wolle sie gern abarbeiten, wenn er nur jetzt Arbeit erhielte. Ich konnte es nicht länger aushalten, ließ zu Hause eine Mahlzeit bereiten, die ich den Ärmsten schickte.
Dass ich gewagt habe, die nichtswürdige Herzlosigkeit des Dominialbesitzers und seines Gesinnungsverwandten Patriomialrichters öffentlich an den Pranger zu stellen, das können diese kläglichen Gesellen nicht fassen und meinen sich deshalb an mir zu erholen.
Ich habe Ihnen berichtet, dass der Wirtschaftsbeamte des Prinzlich Niederländischen Gutes Schildau, die armen Leute in dem Augenblick der Empfangnahme von einigen Almosen in Kartoffeln – seit einigen Wochen werden dergleichen verabreicht – mit Schmähungen und Strafandrohungen überhäuft hat, weil sie bei mir gewesen seien, und einen kranken, unglücklichen Mann sogar das Almosen – welches die Prinzessin befohlen hat – mit der Weisung verweigert hat, er möge zu mir nach Eichberg gehen. Weinend ging der Arme fort, während alle Anwesenden, trotz der gewohnten Härte dieses herzlosen Beamten, von Mitleiden erfüllt waren. Der Wüterich und ausübender Polizei-Gerichtsherr-Vertreter, besann sich indessen eines Besseren und schickte am Abende den Anteil dem Armen nach. Die Furcht ist groß unter diesen Bedrängten, dass ich denselben sagen ließ, sie sollen sich nicht ängstigen, und wenn man ihnen irgendeine Strafe auflegen wolle, so sollen sie mir gleich Nachricht geben. Ich kann freilich nicht anders wirken, als durch die Presse. Leider! Auf Antrag dieses Beamten hat der Landrat einen Gendarmen befohlen, in den Dörfern die Armen abzuhören, was sie mit und bei mir in meiner Stube gesprochen. So wird die Polizeigerichtsbarkeit auf dem platten Lande exerziert, das untersteht sich ein Subaltern, und weiter ein Landrat gegen mich, einen Mann – welcher ausgeschlossen ist von jeder Tätigkeit im Kreistage, am Provinziallandtage, obgleich ich in jeder Woche mehr Löhne auszahle als mein gnädiger Dominialbesitzer im ganzen Jahre.
[…] Ich fasse mich kurz. Die Not der Armen ist vorhanden, soll nicht Alles rettungslos als Opfer unersättlicher Habgier fallen, – so muss schnell und ohne Zeitverlust im Namen der Armut – des kleinsten Grundbesitzes der Landesvater angerufen werden, seinen armen Dorfbewohnern Rettung durch ein Moratorium zu gewähren. Die Gerechtigkeit des Königs muss angerufen werden, die Erhebung der Dominial-Abgaben so lange zu sistieren, als bis dieselben durch eine aus Rechtsmännern und Volksmännern gebildete Kommission, nach ihrem Ursprunge geprüft, geregelt und festgesetzt sein werden.
Mit diesen Maßregeln allein können die Dominialbesitzer in ihre Schranken gewiesen und die armen, hilflosen kleinen Grundbesitzer vor völliger Verarmung bewahrt werden.
Wenn dann die Landgemeinden eine den Stadtbewohnern analoge Dorf-Kommunal-Ordnung erhalten werden, haben alle Willkürpakte geendet und die Wirtschaftsbeamten und Grundbesitzer nehmen den in der Gesellschaft von Menschen gebührenden Platz ein.
Dann wird sich die Stimme desjenigen Wirtschaftsbeamten nicht mehr vernehmen lassen:
„Ich wünsche für Roggen den Preis von 20 rth heran, dann will ich aus meinen Fenstern eine trockene Brotkruste heraushängen lassen, woran die Ortsarmen riechen mögen.“
[…] Mit größter Dankbarkeit harre ich dem Eintreffen Ihres Werkes entgegen, auf dessen Inhalt ich so lange schon gespannt bin. Sie werden mich sehr beglücken, wenn Sie mich recht bald Ihrer Mitteilung würdigen und meine Armen, die sich täglich bei mir blicken lassen, in Ihrem Gedächtnis behalten. […]
An Preußens Wahlmänner
Kaum hat der Kanonendonner Berlins uns aus langem, tiefem Schlafe geweckt und die schwer auf uns lastenden Fesseln etwas gelockert; kaum haben Stimmen im Vaterlande vernehmen lassen, dass vor allem Not tue, die Fesseln zu sprengen und das gemisshandelte Volk vor der blutdürstigen Unterdrückungswut seiner Tyrannen sicherzustellen, dass es not tue, auch die ärmsten Brüder als vollwichtige Menschen zu achten, und die fehlenden Menschenrechte für die Unterdrückten zu erkämpfen, da erheben sich aus den Eulennestern verdächtigte Stimmen im Gewande von Loyalitäts-Äußerungen, um die gebrochene Macht mit Phrasenkleister zu leimen und für sich später racheschnaubend auszubeuten. Weiterlesen
Brüder! Lasst Euch die Heuchler nicht täuschen. Der Kampf für die leidende Menschheit hat erst angefangen, sein Ende tritt erst dann ein, wenn das Schicksal der armen Handwerker, der Arbeit vollständig gesichert sein wird vor der Brutalität der Bevorrechteten, wenn die Macht der Geburts-Vorrechte und des Kapitals vollständig gebrochen sein wird.
Die Peiniger des Volkes wähnen jetzt schon, die Zeit der Aufregung sei der Abspannung gewichen; sie irren! Wehe ihnen, wenn sie nicht bescheiden in ihr Versteck zurückkriechen.
Brüder im preußischen Vaterlande, die Ihr bisher von beispielloser Bedrückung des maßlosen Willkürregiments, durch Not und Hunger zu leiden hattet. Euch rufe ich zu, steht fest, Ihr steht nicht allein im unvermeidlichen Kampfe. Die Brüder im ganzen, weiten deutschen Vaterlande blicken und zählen auf Euch; auch sie werden das Joch abschütteln, und wenn unsere Peiniger den ersten Ruf der Zeit nicht hören, dann werden sie von dem Rade der Zeit zermalmt werden.
Brüder! Die Windstille hat aufgehört, lasst und die Segel ziehen und ohne Menschenfurcht mutigen Herzens durch die empörte Woge dem Hafen zusteuern, welcher uns die lange erlittene, tiefe Schmach vergessen lässt und vor neuen Gelüsten unserer Peiniger sicherstellt.
Wir galten den Drängern als Sache, wir wollen Menschen sein, Menschen, welche ihre vollen Menschenrechte mit Allen gemein haben.
Nicht vergebens soll das Blut von Tausenden unserer Brüder in Berlin geflossen sein. Ihr wisst es ja: es waren zumeist arme Arbeiter, welche von den Kartäschenkugeln zerschmettert wurden. Der Arbeiter kämpft an der Seite der für die Freiheit begeisterten Universitätsbürger, und starb für die Freiheit, die überlebenden armen Arbeiter müssen zum Genuss der vollen Freiheit gelangen, das ist ihr Recht, das Recht des mutigen Siegers.
Fürchtet nicht die aus dem Verstecke drohenden Angeber, das Reich der gemeinsten Spionenwirtschaft hat aufgehört, wo selbstbewusste, mutige Männerherzen für die Freiheit zu sterben wissen. Das Recht der Vormünder ist vorüber, nicht einzelne Bevorrechtete, sondern Alle, Alle, auch die Ärmsten sollen berufen sein, in Sachen der Gesellschaftsverhältnisse tätig zu wirken. Die Vormünder waren zu grausam, ihnen genügte es nicht, Willkür statt Recht zu üben; es genügte ihnen nicht, unsere Menschennatur, unsere Berechtigung zur geistigen Lebenstätigkeit und Entwicklung zu leugnen; es genügte ihnen nicht, jede freie Gedankenäußerung über unsere Gesellschaftsverhältnisse durch tausendfältige Verfolgungen, Kerkerleiden und Eigentumsverletzungen niederzuhalten, indem sie – Menschen zu Menschen, Brüder zu Brüdern – unaufhörlich spottend uns zuriefen, ihr seid nicht reif, menschenwürdig, d.h. frei zu leben; es genügte unserer in der Schreibstubenwirtschaft verknöcherten, mattherzigen Vormündern dies alles nicht, sie überlieferten in 33 Jahren unsere ehrenwerten Handwerker und Arbeiter dem bittersten Elende; es gelüstete unseren Peinigern nach einem neuen Stande, sie schufen ihn – das Proletariat, – sie schufen den Hungertod und Hungertyphus und verprassten des Volkes Schweiß.
Unsere Vormünder gebärdeten sich so demütig und sprachen so oft davon, dass unser staatliches Verhältnis eine der Liebe geweihte, christliche Gemeinschaft sei, und hetzten zugleich die mit dem Volksschweiße genährten Brüder auf Brüder, Söhne auf Väter; sie antworteten auf unsere flehentlichen Bitten zuletzt mit Kartäscherkugeln. Tausende haben geblutet, das Todesröcheln unserer Brüder hat uns aus dem Schlafe gerüttelt, aus maßloser Schmach gerissen. Das System der Willkürherrschaft ist zerbrochen, wir sind mündig und Männer geworden, welche frei und unabhängig von buchgelehrten Theorien, von klügelnder Weisheit besternter Vormünder an der Hand der Erfahrung ihre Angelegenheiten selbst leiten, ihr Geschick selbsttätig schaffen wollen. Fortan soll und wird die reine, vor dem Einflüstern der Bestechung geschützte Volksweisheit regieren.
Wir wollen und müssen vor allem dem Geschicke unserer armen Brüder unsere Kräfte weihen, sie sind als Arbeiter die große Mehrzahl des Volkes. Unsere Vertreter im National-Parlament zu Frankfurt a.M. sollen nie vergessen dürfen, dass alles für und durch das Volk geschehen müsse, dass der Volkswille souverän und die künftige Regierung nur ein vom Volke geschaffenes Organ sei.
Unsere Vertreter werden unsere Gesetzgeber sein, sie werden über das Schicksal unserer armen Arbeiter, über Gewerbe, Handel, Ausgleichung von Produktion und Konsumtion, über Sicherstellung und volle Anerkennung der Arbeit wider die brutalen Einflüsse des Kapitals, über Erweiterung deutscher Verkehrs- und Absatzmittel, über Erlangung eines notwendigen überseeischen Gebietes, Konsular- und Flaggenschutzes, über Bürgschaften für den in Amerika zu gründenden deutschen Filialstaat zu entscheiden und zu wachen und alle störenden Hindernisse zu beseitigen haben, wo dieselben auch angetroffen werden.
Brüder! Brave Ackerwirte, Handwerker und Arbeiter in Stadt und Land, seid wach und rührig bei der Wahl der Vertreter, welche ihr nach Frankfurt a.M. und Berlin schicken werdet; hütet euch vor Missgriffen in der Wahl; wählet keine Anhänger des alten Regimentes, wählet Männer, welche mannesmutig und entschlossen den Kampf mit Euren Peinigern bestehen wollen.
Brüder! Auch der letzte Versuch der Willkür ist gescheitert. Die vom abgelebten, unnatürlich gegliederten Landtage vorgenommenen Wahlen sind ungültig. Ihr sollt und werdet selbst frei und unabhängig wählen, seid wach und weichet vor allen Bestechungen, Drohungen, Versprechungen und Einflüsterungen mutig zurück; es gilt Eure ganze Zukunft, Euer und Euer Kinder Lebensglück. Ich rufe Euch wiederholt zu, hütet euch vor den Herrendienern und Anhängern des alten Systems, wählet Männer von Entschiedenheit und Liebe für die Freiheit. Ihr seid an keine Provinz, keinen Bezirk, Kreis oder Stadt gebunden. Ihr dürft Euch den Wahlkandidaten im ganzen Vaterlande suchen. Seid wach, denn ganz Europa harret mit Spannung auf den Ausgang der Wahlschlacht in Preußen.
Haldendorf bei Oppeln
F.W. Schlöffel
Die vielfachen Entstellungen und Verwechslungen, welche bei Mitteilung der von uns am Sonntag, dem 17., auf hiesiger Pfingstweide gehaltenen Reden stattgefunden haben, veranlassen uns, um unsere Wähler und des deutschen Volkes willen, dieselben aus unserm Gedächtnisse ihrem wesentlichen Gedankenzuge und Inhalte nach in derjenigen Reihenfolge hier wiederzugeben, in welcher dieselben gehalten worden sind, wobei wir versichern, dass kein entscheidendes Wort vergessen worden [ist]. […]
1. Rede des Abgeordneten Schlöffel
Wie die Verwundung eines einzelnen Gliedes den ganzen Körper schmerzhaft berührt und verstimmt, so äußert sich auch in dieser großen Versammlung ein Zeichen von Teilnahme und Verstimmung über die Niederlage, welche die Minorität durch den am 16. In der Waffenstillstandsfrage gefassten Beschluss erlitten hat. Diese Teilnahme gereicht mir und meinen politischen Freunden zum Troste, denn wir werden durch sie in der Überzeugung bestärkt, dass wir dem Volkswillen gedient und damit unsere Pflicht erfüllt haben. Ich will nicht davon sprechen, wie große und welche Gefahren mit Anerkennung des von einer partikularen Regierung geschlossenen Waffenstillstandes der so oft besprochenen Einheit, der neu geschaffenen Zentralgewalt von Deutschland drohen. Sie, meine Freunde, kennen dieselben und teilen unsere Überzeugung, dass alle Freunde der Freiheit treu zusammenstehen und festhalten müssen an den Errungenschaften der Revolution, wie große und welche Anstrengungen auch von den Feinden der Freiheit gemacht werden und woher dieselben auch kommen. 33 Jahre hat das deutsche Volk in unerträglicher Sklaverei maßlosen Druck geduldig erlitten, bis es endlich aus ununterbrochenem politischem Sterben zu neuem Leben sich ermannte, eingedenk des Spruches: „Wem von Kanonenmund ein rasches Schicksal blitzt, der stirbt den raschen Tod im frischen Lauf der Stunden, doch auf wem Liliput mit tausend Nadeln sitzt, der stirbt Millionen Mal an Millionen Wunden.“ Freunde! Auch wir wollen mit allen deutschen Brüdern immerdar wach bleiben und der errungenen Volkssouveränität uns würdig zeigen. Wenn feindliche Hände uns die Früchte der Revolution entreißen und Liliputs mit Nadelstichen uns quälen wollen, dann lasst uns und alle deutschen Männer des Spruchs eingedenk sein: „Wem vom Kanonenmund sein letztes Schicksal blitzt, der stirbt den raschen Tod im frischen Lauf der Stunden“, dann wollen wir als freie Männer die Schande mutig abwehren.
[…] Wenn das wahr ist, dass wir im März in eine andere Phase getreten sind, wenn wir nicht einen Strich gemacht haben bei der sogenannten Bourgeoisie und gesagt haben: Bis hierher sollen die Segnungen der Revolution gehen und weiter nicht, dann werden Sie denen gerecht, die hinter dieser Linie stehen. Das deutsche Volk, meine Herren, lässt sich nicht mehr irritieren, es sagt: Das Revolutionsrecht besteht, und es besteht solange, bis wir zu unseren Rechten und Ehren gekommen sind […]. Das deutsche Volk lässt sich durch keine Bajonette und Kanonen, und wenn Sie alle Erz- und Bleiminen hierzu nehmen, nicht mehr irritieren, ich versichere Sie, es lässt sich nicht mehr abhalten, sein Recht gründlich zu verfolgen. […] Das deutsche Volk weiß noch mehr, es kennt die Allmacht der Vernunft der Revolution, es weiß, die Revolution ist so spitz, dass sie sich durch alles durcharbeiten wird. Die Revolution hat die erschlaffte Majorität zum Erwachen gebracht, sie hat sie aus den Winden gelöst. […] Weiterlesen
Herr Schneer hat uns gesagt, wenn wir so ohne weiteres auf eine Aufhebung der Feudalrechte, die seit Jahrhunderten bestehen und recht erkleckliche Einnahmequellen für die Minorität – die Besitzenden – waren, dringen, so wird dies eine Missachtung des Eigentums involvieren. Nun, meine Herren, was begreifen wir unter Eigentum, und wie sind die Leute dazu gekommen? Wer könnte bestreiten, dass die Leute, welche in sehr großem besitze sind, denselben mehr oder weniger dadurch erlangt haben, dass man die Majorität, die unzurechnungsfähig, die man in jeder Beziehung gedrückt hat, in ihrer Kulturentwicklung künstlich gehemmt und abgehalten hat, Eigentum zu erwerben. Dieser Mangel an Kulturentwicklung der Majorität war das Hindernis zur Eigentumserwerbung. […] Meine Herren! Wenn Sie nicht in Abrede stellen, dass ein sehr großer Teil verarmt und, wenn er ein Eigentum besessen hat, desselben beraubt worden ist durch schlechte Institutionen, durch mangelhafte Regierungsmaßregeln, wenn Sie die Massenverarmung nicht leugnen können, so können Sie auch die Verpflichtung nicht in Abrede stellen, welche Sie zur Remedur dieser traurigen Zustände haben. Die Bauern und arme Rustikalen, sie rufen Ihnen, meine Herren, jetzt mit großer Zuversicht zu: Wir sind zu dem Bewusstsein gekommen, dass wir ein Teil des großen Ganzen sind und dass wir an den Segnungen aller Wohltaten sozialer, d.h. vernünftig geordneter Gesellschaftsverhältnisse vollen Anteil haben. Diese Bauern, sage ich, werden jetzt nicht aufhören, zu petitionieren und den Beweis für die Begründung ihres guten Rechts zu führen, aber vielleicht in veränderter Art, wie es bisher geschehen ist. Täuschen wir uns nicht, meine Herren, das lecke Staatsschiff muss gestopft werden, wenn es nicht untergehen soll, und daher habe ich, obgleich beteiligt bei der Sache und obgleich mir bedeutende Verluste durch diesen Antrag in Aussicht stehen, dennoch am 25. Mai beantragt:
„In Erwägung:
dass die Errungenschaften der Revolution ein Gemeingut aller im deutschen Vaterlande sein müssen;
dass die Bevorrechteten nach nur zu langem Genusse der Vorrechte sich endlich auch des Restes der Feudalrechte entäußern müssen;
dass Arme wie Reiche unter ein Gesetz und unter einen Richter gestellt und vor dem Gesetze gleich beurteilt und behandelt werden müssen;
dass fortan, im Interesse des gemeinsamen Vaterlandes und seiner Angehörigen, Gemeinwesen und Gemeinsinn aufleben müssen;
wolle die konstituierende Nationalversammlung beschließen:
1) Die Gleichheit aller vor dem Gesetze durch
2) das Aufhören aller Vorrechte, welchen Namen diese auch haben;
3) die Aufhebung der Patrimonial- und Polizeigerichtsbarkeit, des Kirchen- und Schulpatronatsrechtes – soweit solches von einzelnen Staatsbürgern als größerer Grundbesitzer ausgeübt worden ist;
4) die Aufhebung aller Feudallasten ohne Entschädigung, sie mögen in baren oder persönlichen Leistungen bestehen;
5) die Aufhebung des den sogenannten Rittergutsbesitzern zustehenden Jagdrechtes;
6) die Aufhebung des eximinierten Gerichtsstandes.“
Ich vermisse in der Zusammenstellung der auf diesen Artikeln bezüglichen Anträgen diesen Antrag von mir; ich erlaube mir daher, ihn nachträglich dem Präsidium zu übergeben.
Meine Herren! Täuschen wir uns nicht, retten wir unsere Brüder, ehe sie sich selbst retten, der Löwe ruht nur, er schläft nicht, er ist gewiss wach, wenn wir nichts für ihn tun! […]
An das deutsche Volk!
Deutsches Volk! Bis in die entferntesten Gaue Deines Landes ist der Name des Mannes gedrungen, der aus dem Arbeiterstande durch die Kraft seines Geistes sich emporgeschwungen hatte zu einem der vordersten Kämpfer für die heilige Sache der Freiheit.
Der beredte Mund, dessen Worte tief ergriffen, weil sie aus dem Herzen kamen, hat sich geschlossen; geschlossen durch eine Gewalttat, einen Mord, begangen mit kaltem Blute, mit Beobachtung sogenannter gesetzlicher Formen.
Du weißt, deutsches Volk, was dieser gemeuchelte Held Deiner jungen Freiheit für diese Freiheit getan. Klar in Gedanken, entschieden im Wollen, entschlossen im Handeln, trug er das Banner voran in dem Kampfe, in welchem er glorreich gefallen ist.
Was er getan während des Zeitraumes eines langen Druckes, was er gewirkt seit der Märzrevolution in dem Parlamente, in dem Fünfzigerausschusse, in der Nationalversammlung – mit unauslöschlicher Schrift ist es in aller Herzen eingetragen.
Die Begeisterung für die Sache der deutschen Freiheit und der Auftrag seiner politischen Freunde führte ihn nach Wien. Er focht an der Spitze des Elitekorps, dessen Führung ihm von dem Oberbefehlshaber anvertraut wurde. Als die Kapitulation Wiens abgeschlossen war, legte er die Waffen, die er mit Heldenmut geführt hatte, nieder. Vier Tage nach Beendigung des letzten Verzweiflungskampfes, an welchem er, dem gegebenen Wort treu, keinen Anteil mehr nahm, wurde er verhaftet. Man übertrat mit frechem Hohne das Gesetz, welches die Vertreter der deutschen Nation vor jeder von der Nationalversammlung nicht genehmigte Verhaftung schützen sollte und achtete der Berufung nicht, welche er, gestützt auf dieses Gesetz, gegen seine Verhaftung einlegte.
Deutsches Volk! Deine Ehre, Dein Recht trat man mit Füßen, als man Deinen Vertreter gegen das Gesetz verhaftete! Deiner Freiheit hat man eine tödliche Wunde geschlagen, als man einer Deiner würdigsten Söhne mordete!
Am vierten Tage seiner Verhaftung, acht Tage nach der völligen Einnahme Wiens, am 9. November, wurde Robert Blum standrechtlich in der Brigittenau erschossen!
Nicht in der Aufwallung tobender Leidenschaft, nicht in dem Getümmel des Kampfes wurde der Mord verübt; nein! Er wurde verübt von denjenigen, welche sich Werkzeuge des Gesetzes, Hersteller der Ordnung, Begründer gesetzlicher Freiheit nennen!
Deutsches Volk! Trauern wirst Du über den unersetzlichen Verlust, den Du erlitten! Vergiss des Toten nicht und erinnere Dich, wie er starb, für welche Sache er starb und durch wen er gemordet wurde!
„Denkschrift als Unterlage für die Petition den achten schlesischen Provinziallandtage überreicht“, Leipzig 1845.
Mein Prozess wegen Anklage auf Hochverrat, Heidelberg 1846.
An Preußens Wahlmänner, Haldendorf bei Oppeln, Anfang 1848.
Preußen durch seine Aristokratie Deutschlands größter Feind, Leipzig 1850.
Ein Wort über die gegenwärtige Gesellschaftslage der nordamerikanischen Freistaaten, Philadelphia 1957.
Best, Heinrich / Weege, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 8), Düsseldorf 1996, S. 296.
Bleiber, Helmut: Schlöffel, Friedrich Wilhelm, in Neue Deutsche Biografie 23, 2007, https://www.deutsche-biographie.de/sfz113136.html#ndbcontent.
Bleiber, Helmut: Friedrich Wilhelm Schlöffel (1800-1870): Ein schlesischer Vormärzoppositioneller, in: Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, hg. von Helmut Bleiber / Walter Schmidt / Susanne Schötz, Berlin 2003, S. 619-675.
Bleiber, Helmut: Vormärzliches aus Schlesien. Wilhelm Stieber, Friedrich Wilhelm Schlöffel und seine Kinder. In: Wissenschaftsgeschichte und Geschichtswissenschaft. Aspekte einer problematischen Beziehung. Wolfgang Küttler zum 65. Geburtstag, Waltrop 2002, S. 292–308.
Schulz, Ursula.: Die Abgeordneten der Provinz Schlesien im Frankfurter Parlament (Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band 12), 1967.
FRIEDRICH WILHELM SCHLÖFFEL
Abb.: Herder Institut
Auf den ersten Blick ist Friedrich Wilhelm Schlöffel kein typischer Revolutionär: Studierter Apotheker, Leiter einer großen Fabrik in Eichberg und wohlhabender Besitzer von mehreren Rittergütern. Aber der Eindruck täuscht. Zeit seines Lebens setzt sich Schlöffel leidenschaftlich für die Ärmsten der Armen ohne politische Stimme ein. Mit Petitionen, Publikationen und politischer Arbeit bis in die Nationalversammlung engagiert er sich für die schlesischen Arbeiter und gegen die adligen Grundbesitzer, macht auf Missstände, Machtmissbrauch und herrschaftliche Willkür aufmerksam und gerät dadurch selbst immer wieder in den Fokus der Behörden. Sogar eine Anstachelung der Bevölkerung zum Schlesischen Weberaufstand, in Zusammenarbeit mit Bettina von Arnim, wird ihm vorgeworfen.
Sein Engagement macht ihn in der schlesischen Bevölkerung zu einem angesehenen und populären Mann. Als er sich am Vorabend der Revolution nach vielen Jahren aus seiner Heimat verabschiedet, dichtet man dort ein Lied über ihn, in dem es heißt: „Ja, Schlöffel soll die Bürgerkrone tragen in seines Strebens Lauterkeit! Ein jedes wackre Herz soll für ihn schlagen, er sprach für Recht und Ruf der Zeit.“.
Schlöffel wird am 24 Juli in Brieg (heutiges Polen) geboren und besucht dort das Gymnasium. Sein Vater ist Hutmacher.
Nach Apothekerlehre und Studium an der Universität Berlin sowie einjährigem Militärdienst, arbeitete Schlöffel bis 1931 in seiner eigenen Apotheke in Landeshut. Dort ist er kommunalpolitisch tätig, etwa ab 1825 Stadtverordnetenvorsteher.
Schlöffel heiratet Franziska Peschke. Ihr gemeinsamer Sohn Gustav Adolf, geboren 1828, wird ebenfalls Revolutionär und stirbt 1849 bei Waghäusel in einem Gefecht mit preußischen Soldaten.
In Eichberg bei Hirschberg baut er eine Papierfabrik mit auf, deren Leiter er zwischen 1837 und 1846 ist. In diesen Jahren tritt er ebenfalls (kommunal-) politisch auf. So erwirkt er zum Beispiel, dass ein Grundherr mehrere Kommunalwege nicht für die Allgemeinheit sperren darf.
In seiner Broschüre „Erfahrungen und Bedenken eines schlesischen Freistellenbesitzers“ klärt Schlöffel über Machtmissbrauch durch die Grundherren auf.
Für einen Bericht von Bettina von Arnim über die herrschende Massenarmut führt Schlöffel rund 100 Befragungen zu ihren Lebensverhältnissen bei Webern und Spinnern durch. Gegen Schlöffel und die Befragten gibt es daraufhin polizeiliche Untersuchungen. Der Bericht selbst wird nie veröffentlicht, nachdem der Vorwurf laut wurde, der Bericht habe den Weberaufstand vom Juni 1844 begünstigt.
Wegen seiner angeblichen Beteiligung an der kommunistischen „Warmbrunner Verschwörung“ kommt er, angeklagt wegen Hochverrats, für einige Monate in Haft. Nach seinem Freispruch im Januar 1846 veröffentlicht er den Bericht „Mein Prozeß wegen Anklage auf Hochverrath“, der die richterliche Willkür der Zeit anprangert und große Beachtung findet; auch weil er ein wohlhabender Fabrikbesitzer ist.
In der Revolution wird Schlöffel zu einem der führenden Köpfe des demokratischen Flügels der bürgerlichen Oppositionsbewegung in Schlesien und ist sowohl Mitglied des Vorparlaments als auch der Paulskirche, wo er sich der Fraktion Donnersberg anschließt. In der Nationalversammlung setzt er sich vor allem für die entschädigungslose Aufhebung aller Feudallasten ein und ist der erste Abgeordnete, der die Soziale Frage anspricht.
Aufgrund seiner Teilnahme bei den Frankfurter Septemberunruhen, bei denen er als einer der prominenten Redner auf der Pfingstweide aufgetreten war, will das Frankfurter Gericht seine Immunität als Abgeordneter aufheben, um ihn verurteilen zu können. Von der Nationalversammlung wird dies abgelehnt.
Schlöffel ist Teil des badisch-pfälzischen Aufstandes als Oberkriegskommissar. Als dieser niedergeschlagen wird, flieht er in die Schweiz und von dort in die USA nach Philadelphia und arbeitet als Gastwirt. Erst nachdem er 1866 amnestiert wurde, kehrt er nach Schlesien zurück.
In Abwesenheit wird er vom Schwurgericht in Zweibrücken wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.
23. Januar 1870: Schlöffel stirbt in Goldberg.
Resümieren wir Gesagtes in kurzen Worten, so muss der in gesundem Staatsleben unmögliche Zustand aufhören, wenn
1) Das preußische Gouvernement die Notwendigkeit der gewerblichen Industrie im Staate anerkannt haben wird, und
2) nach dem Beispiele desjenigen Staates, wo Industrie und Handel einen nachahmenswürdigen Höhepunkt erreicht haben, für eine mit dem Bedürfnisse fortschreitende Gesetzgebung gesorgt werden, was
3) nur durch harmonisches Zusammenwirken der Theoriemänner – Beamten – mit den praktisch erfahrenen, sachverständigen Männern aus dem Volke möglich ist, wenn
4) die Verfassung ohne Rücksicht auf Stände eine Gliederung gestattet, mit der nicht die Interessen einzelner Stände, sondern die Interessen Aller, das heißt des ganzen Volkes wahrgenommen werden, womit
5) der Staat aufhören wird, ein bloßer Agrikulturstaat zu sein, und in der Folge dessen
6) Gleichheit vor dem Rechte, Öffentlichkeit des Gedankens und der Tat einer Volkskraft erzeugen wird, welche Preußen vor jeder inneren Not bewahren und jedem äußeren Feinde gegenüber gerüstet und kampfgerecht halten wird.
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
Verehrungswürdigste, gnädige Frau!
[…] Sie haben sich allerdings an den rechten Mann gewendet, wenn ein seit 20 Jahren bürgerlich im engsten Verkehr mit der Armut stehender Mann überhaupt ein Urteil über diese Verhältnisse haben kann. Mancher Hochgestellte zweifelt zwar an der Berechtigung und meint es sich allein vindicieren zu können, dergleichen Leute nennen ich Autoritäten und schätzen andere =0 oder darunter. Wer diesen Autoritätsmännern gegenüber dennoch eine Meinung hat und solche würdig geltend machen will, läuft Gefahr für einen Demagogen oder, im glücklichen Falle, für einen leidenschaftlichen, unruhigen Menschen gehalten zu werden. In diesem Falle mag ich mich wohl befinden, denn so manchen Vorwurf musste ich für meine gegen das Unrecht gerichtete Opposition hinnehmen. Dies hatte indessen auf meine Gesinnung keinen nachteiligen Einfluss, denn ich wollte nie etwas für mich, wenn ich kämpfte, geschah es für Andere, ja im Interesse der Gesamtheit.
In dieser Absicht handelnd, konnte es nicht fehlen, dass Unglückliche, welche zur Rettung ja nach Strohhalmen greifen, sich auch an mich zu klammern suchten, und so kam es denn, dass sich viele Mitbrüder an mich wenden, in mir einen Freund suchen und auf meinen Rat einigen Wert legen.
[…] Am 9ten [des Monats] Sonnabend trat ich in die Arbeitssäle meiner Arbeiter und trug dem Aufseher auf, mir aus einigen Dörfern einige arme Spinner und Weber für den folgenden Tag in meine Wohnung zu bestellen.
Sonntag früh 7 Uhr standen schon mehr als 50 solcher Unglücklichen in meinem Hause, die Kopf an Kopf gedrängt sich bis auf Hundert mehrten. Ich konnte nicht hindern, alle baten mich, ihres Notstandes zu gedenken und so schrieb ich denn deren Aussagen bis abends 8 Uhr nieder. Ich kann es Ihnen, verehrungswürdigste Frau nicht beschreiben, was ich dabei gelitten. Als ich Nachmittag 2 Uhr eine halbe Stunde zum Essen und zur Erholung in Anspruch nahm, wollte ich nicht mein Mittagsbrot an den Unglücklichen vorübertragen lassen, ich wollte ihnen nicht wehe tun, indem ich sie die Entbehrung doppelt empfinden ließe, denn das im Hause befindliche Brot war bereits verteilt; ich gab ihnen etwas und schickte sie ins Wirtshaus, damit sie sich durch einen Trunk erquicken möchten. Was taten die Armen dort? Sie tranken nicht, sie kauften sich Brot, welches sie gierig verschlangen.
Warum sehen denn dies die vornehm und kalt über das Elend absprechenden Verehrer der Mäßigkeits-Vereine nicht, welche sich, [zum Teil] vom Schweiße der Armen bereichern, an voller Tafel bei köstlichem Weine so wacker gütlich zu tun wissen und über der Armen Hang zur Amoralität gewaltig den Stab brechen. Ach ja, warum sehen es die Mächtigen nicht?
Wird das Übel nicht an der Wurzel erfasst und ausgerottet, [das heißt] werden die Mächtigen nicht wärmeren Herzens und entsagen den nur Willkürakte erzeugenden Vorrechten, dann wuchert das Übel entsetzlich weiter; schwer wird sich dann das Geschick der Schwachen – für die keine Gesetze, keine Rechte, keine Behörden vorhanden sind – rächen, und alle sogenannten frommen Vorkehrungen werden das Unvermeidliche nicht zu hindern vermögen.
Die täglich zu mir kommenden Armen wollen Alle notiert sein, weil sie Hilfe in ihrer Not erwarten. Ein harter Stand für mich, sie abzuweisen.
Wenn Sie verehrungswürdigste Frau von dortigen Wohltätern einen Beitrag für meine Armen erhalten könnten, wie glücklich wäre ich, wenn ich mich über die mit Vermittlung der Ortsschulzen bewirkten Verteilung bei Ihnen zu legitimieren vermöchte. Vergeben Sie diesen Gedanken, den ich von den Armen gedrängt mir zu erlauben, warum sollte ich denn nicht und namentlich Ihnen gegenüber für Hungernde bitten?
[…] Soeben erfahre ich, dass der Wirtschaftsverwalter auf dem Prinzlichen Dominio Schildau diejenigen armen Leute, welche sich am 10ten [des Monats] bei mir eingefunden, mit harten Vorwürfen verfolgt und einzelne sogar mit Stockhausstrafen bedroht habe, weil sie sich hätten beikommen lassen über Not zu klagen. Die Armen sollen gänzlich eingeschüchtert dem allgemein als hart bekannten Mann […] nicht entschieden geantwortet haben. Der Mann mag seine guten Gründe haben, dass die Stimme der Schildauer nicht laut werde, darum sucht er den Ärmsten auch noch das Recht, über Hunger zu klagen, durch Drohungen zu entziehen. So gehen rohe, fühllose, eigennützige Subalterne in Abwesenheit der Grundherrschaft mit den Ostbewohnern um, in solchen Händen ruht die Ausübung der Polizei-Gerichtsherrlichen Gewalt!
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
Verehrungswürdigste, gnädige Frau!
Mein Zweck ist erreicht, ich sehe mich endlich verstanden, – ich will mich glücklich schätzen, wenn ich etwas zur Linderung der Not und Erringung eines besseren, vernünftigeren Zustands beizutragen vermöchte. Ich habe keinerlei Bedenken, meinem Namen zu meinem Gesagten zu geben, und bin in jeder Beziehung mit Ihren Anordnungen einverstanden. Weiterlesen
Unser Unglück ist der Egoismus, mit dem nicht allein die Reichen, sondern auch die notleidenden Armen behaftet sind. Die wohlgenährten Reichen haschen […] nach Vermehrung ihres Eigentums und Genüssen, sie befinden sich in der Lage, Diener, Gehilfen etc. zu besolden, welche wiederum in Befriedigung ihrer Bedürfnisse unersättlich und unausgesetzt bemüht sind, die Zufriedenheit der Soldgeber zu erlangen, d.h. ihnen zu nützen, wobei sie nicht leer ausgehen. Dass in dieser Manier beschäftigte Naturen, in mit kostbaren Essenzen geräucherten Salons, nicht gemacht sind, die verpestete Jammerhöhlen aufzusuchen, wo eine Masse Menschen zusammengepfercht auf faulem Strohe sich vor dem nagenden Hunger flüchten, ist begreiflich. Diese vom Schicksale mit Vorrechten reich ausgestatteten Erdbürger haben Alles, sie stehen in treuer Bruderliebe mannhaft zusammen, um jeden möglichen Laut der Unzufriedenheit ritterlich niederzukämpfen. Sie bilden als Unterdrücker in geschlossener Phalanx eine Abteilung, um den armen, trostlosen Unterdrückten entgegen zu arbeiten; indem sie so christlich mild und schonend das Laster ihrer Glieder […], brechen sie ritterlich unbarmherzig über Trägheit, Unwissenheit, Liederlichkeit, und mangelnde Frömmigkeit der Armen den Stab. Dies ist der Egoismus der wohlgenährten Reichen, welche nicht für notwendig halten, des kleinen Zufalls dankbar eingedenk zu sein, der sie im Überfluss geboren werden ließ.
Wären Fürsten in Jammerhöhlen geboren und unter qualvollen Misere groß gewachsen, sie hätten sicher ein Gedächtnis für die Leiden der Unterdrückten und würden gewaltig die scham- und gefühllosen Unterdrücker zu Paaren treiben. – So wollen und dürfen wir ihnen keinen Vorwurf daraus machen, wenn die Gewalt der Umstände ihre Augen umflort haben. Dass die Fürsten nicht sehen, das gereicht ihnen nicht zum Vorwurfe, weil der Mensch nicht über seinen Gesichtskreis hinaus zu sehen vermag. Dass Fürsten aber nicht hören mögen, dass sie auf den Rat ihrer pfiffigen Diener, die Gedanken nicht zum Worte sich gestalten und an ihre Ohren dringen lassen wollen, das gereicht ihnen zur Schmach, wofür sie einst schwere Rechenschaft tragen werden, wenn die Unterdrückten, die Armen zur Verzweiflung gehungert nicht aus Tugend, sondern aus alle Rücksichten bewältigender Not dem raschen Tode den Vorzug geben und Mut und Bruderliebe zeigen werden, wie Ein Mann treu zusammenzustehen und zu erzwingen, was ihnen gebührt, wenn Gottes ewige Vaterliebe und Gerechtigkeit keine Lüge ist.
In diesen Tagen trat ich in die Hütte des armen, alten Familienhauptes […]. Denken Sie sich einen 65jährigen Mann, der noch vor zwei Jahren rüstig und wacker dachte und aller Not mannhaft entgegenkämpfte, jetzt in einem kleinen Stübchen mit seiner 63jährigen Ehefrau – welche seit 1 Jahre fest liegend nicht mehr Gebrauch von ihrem zum Skelett abgezehrten Körper machen kann, mit 1 Tochter, welche am 8ten Tage nach der Entbindung 3 kleine Kinder, in Abwesenheit ihres jetzt 8 Meilen entfernt als Tagelöhner arbeitenden Mannes, die kranke Mutter und den abgehärmten Vater pflegt. Der 65jährige, dem Jammer verfallene Greis, hat seinen Glauben an Gottes Barmherzigkeit verloren, weil der Allgütige ihn in seinem namenlosen Elende vergessen habe und die Frau, welche er immer zärtlich geliebt, nicht ausspanne. […]
Der alte Mann, welcher seit Weihnachten nur mit Spinnen sich nährt und täglich höchstens 6 Pfennige verdient, wird von dem Gedanken fast erdrückt, dass er Abgaben […] schulde, er wolle sie gern abarbeiten, wenn er nur jetzt Arbeit erhielte. Ich konnte es nicht länger aushalten, ließ zu Hause eine Mahlzeit bereiten, die ich den Ärmsten schickte.
Dass ich gewagt habe, die nichtswürdige Herzlosigkeit des Dominialbesitzers und seines Gesinnungsverwandten Patriomialrichters öffentlich an den Pranger zu stellen, das können diese kläglichen Gesellen nicht fassen und meinen sich deshalb an mir zu erholen.
Ich habe Ihnen berichtet, dass der Wirtschaftsbeamte des Prinzlich Niederländischen Gutes Schildau, die armen Leute in dem Augenblick der Empfangnahme von einigen Almosen in Kartoffeln – seit einigen Wochen werden dergleichen verabreicht – mit Schmähungen und Strafandrohungen überhäuft hat, weil sie bei mir gewesen seien, und einen kranken, unglücklichen Mann sogar das Almosen – welches die Prinzessin befohlen hat – mit der Weisung verweigert hat, er möge zu mir nach Eichberg gehen. Weinend ging der Arme fort, während alle Anwesenden, trotz der gewohnten Härte dieses herzlosen Beamten, von Mitleiden erfüllt waren. Der Wüterich und ausübender Polizei-Gerichtsherr-Vertreter, besann sich indessen eines Besseren und schickte am Abende den Anteil dem Armen nach. Die Furcht ist groß unter diesen Bedrängten, dass ich denselben sagen ließ, sie sollen sich nicht ängstigen, und wenn man ihnen irgendeine Strafe auflegen wolle, so sollen sie mir gleich Nachricht geben. Ich kann freilich nicht anders wirken, als durch die Presse. Leider! Auf Antrag dieses Beamten hat der Landrat einen Gendarmen befohlen, in den Dörfern die Armen abzuhören, was sie mit und bei mir in meiner Stube gesprochen. So wird die Polizeigerichtsbarkeit auf dem platten Lande exerziert, das untersteht sich ein Subaltern, und weiter ein Landrat gegen mich, einen Mann – welcher ausgeschlossen ist von jeder Tätigkeit im Kreistage, am Provinziallandtage, obgleich ich in jeder Woche mehr Löhne auszahle als mein gnädiger Dominialbesitzer im ganzen Jahre.
[…] Ich fasse mich kurz. Die Not der Armen ist vorhanden, soll nicht Alles rettungslos als Opfer unersättlicher Habgier fallen, – so muss schnell und ohne Zeitverlust im Namen der Armut – des kleinsten Grundbesitzes der Landesvater angerufen werden, seinen armen Dorfbewohnern Rettung durch ein Moratorium zu gewähren. Die Gerechtigkeit des Königs muss angerufen werden, die Erhebung der Dominial-Abgaben so lange zu sistieren, als bis dieselben durch eine aus Rechtsmännern und Volksmännern gebildete Kommission, nach ihrem Ursprunge geprüft, geregelt und festgesetzt sein werden.
Mit diesen Maßregeln allein können die Dominialbesitzer in ihre Schranken gewiesen und die armen, hilflosen kleinen Grundbesitzer vor völliger Verarmung bewahrt werden.
Wenn dann die Landgemeinden eine den Stadtbewohnern analoge Dorf-Kommunal-Ordnung erhalten werden, haben alle Willkürpakte geendet und die Wirtschaftsbeamten und Grundbesitzer nehmen den in der Gesellschaft von Menschen gebührenden Platz ein.
Dann wird sich die Stimme desjenigen Wirtschaftsbeamten nicht mehr vernehmen lassen:
„Ich wünsche für Roggen den Preis von 20 rth heran, dann will ich aus meinen Fenstern eine trockene Brotkruste heraushängen lassen, woran die Ortsarmen riechen mögen.“
[…] Mit größter Dankbarkeit harre ich dem Eintreffen Ihres Werkes entgegen, auf dessen Inhalt ich so lange schon gespannt bin. Sie werden mich sehr beglücken, wenn Sie mich recht bald Ihrer Mitteilung würdigen und meine Armen, die sich täglich bei mir blicken lassen, in Ihrem Gedächtnis behalten. […]
1 Von Arnim hatte Schlöffel um Berichte und Umfragen bei von Armut betroffenen Menschen in Schlesien gebeten, für einen Bericht, den sie zur Lage der armen Bevölkerung schreiben wollte. Daraus entsteht ein kurzer Briefwechsel.
An Preußens Wahlmänner
Kaum hat der Kanonendonner Berlins uns aus langem, tiefem Schlafe geweckt und die schwer auf uns lastenden Fesseln etwas gelockert; kaum haben Stimmen im Vaterlande vernehmen lassen, dass vor allem Not tue, die Fesseln zu sprengen und das gemisshandelte Volk vor der blutdürstigen Unterdrückungswut seiner Tyrannen sicherzustellen, dass es not tue, auch die ärmsten Brüder als vollwichtige Menschen zu achten, und die fehlenden Menschenrechte für die Unterdrückten zu erkämpfen, da erheben sich aus den Eulennestern verdächtigte Stimmen im Gewande von Loyalitäts-Äußerungen, um die gebrochene Macht mit Phrasenkleister zu leimen und für sich später racheschnaubend auszubeuten. Weiterlesen
Brüder! Lasst Euch die Heuchler nicht täuschen. Der Kampf für die leidende Menschheit hat erst angefangen, sein Ende tritt erst dann ein, wenn das Schicksal der armen Handwerker, der Arbeit vollständig gesichert sein wird vor der Brutalität der Bevorrechteten, wenn die Macht der Geburts-Vorrechte und des Kapitals vollständig gebrochen sein wird.
Die Peiniger des Volkes wähnen jetzt schon, die Zeit der Aufregung sei der Abspannung gewichen; sie irren! Wehe ihnen, wenn sie nicht bescheiden in ihr Versteck zurückkriechen.
Brüder im preußischen Vaterlande, die Ihr bisher von beispielloser Bedrückung des maßlosen Willkürregiments, durch Not und Hunger zu leiden hattet. Euch rufe ich zu, steht fest, Ihr steht nicht allein im unvermeidlichen Kampfe. Die Brüder im ganzen, weiten deutschen Vaterlande blicken und zählen auf Euch; auch sie werden das Joch abschütteln, und wenn unsere Peiniger den ersten Ruf der Zeit nicht hören, dann werden sie von dem Rade der Zeit zermalmt werden.
Brüder! Die Windstille hat aufgehört, lasst und die Segel ziehen und ohne Menschenfurcht mutigen Herzens durch die empörte Woge dem Hafen zusteuern, welcher uns die lange erlittene, tiefe Schmach vergessen lässt und vor neuen Gelüsten unserer Peiniger sicherstellt.
Wir galten den Drängern als Sache, wir wollen Menschen sein, Menschen, welche ihre vollen Menschenrechte mit Allen gemein haben.
Nicht vergebens soll das Blut von Tausenden unserer Brüder in Berlin geflossen sein. Ihr wisst es ja: es waren zumeist arme Arbeiter, welche von den Kartäschenkugeln zerschmettert wurden. Der Arbeiter kämpft an der Seite der für die Freiheit begeisterten Universitätsbürger, und starb für die Freiheit, die überlebenden armen Arbeiter müssen zum Genuss der vollen Freiheit gelangen, das ist ihr Recht, das Recht des mutigen Siegers.
Fürchtet nicht die aus dem Verstecke drohenden Angeber, das Reich der gemeinsten Spionenwirtschaft hat aufgehört, wo selbstbewusste, mutige Männerherzen für die Freiheit zu sterben wissen. Das Recht der Vormünder ist vorüber, nicht einzelne Bevorrechtete, sondern Alle, Alle, auch die Ärmsten sollen berufen sein, in Sachen der Gesellschaftsverhältnisse tätig zu wirken. Die Vormünder waren zu grausam, ihnen genügte es nicht, Willkür statt Recht zu üben; es genügte ihnen nicht, unsere Menschennatur, unsere Berechtigung zur geistigen Lebenstätigkeit und Entwicklung zu leugnen; es genügte ihnen nicht, jede freie Gedankenäußerung über unsere Gesellschaftsverhältnisse durch tausendfältige Verfolgungen, Kerkerleiden und Eigentumsverletzungen niederzuhalten, indem sie – Menschen zu Menschen, Brüder zu Brüdern – unaufhörlich spottend uns zuriefen, ihr seid nicht reif, menschenwürdig, d.h. frei zu leben; es genügte unserer in der Schreibstubenwirtschaft verknöcherten, mattherzigen Vormündern dies alles nicht, sie überlieferten in 33 Jahren unsere ehrenwerten Handwerker und Arbeiter dem bittersten Elende; es gelüstete unseren Peinigern nach einem neuen Stande, sie schufen ihn – das Proletariat, – sie schufen den Hungertod und Hungertyphus und verprassten des Volkes Schweiß.
Unsere Vormünder gebärdeten sich so demütig und sprachen so oft davon, dass unser staatliches Verhältnis eine der Liebe geweihte, christliche Gemeinschaft sei, und hetzten zugleich die mit dem Volksschweiße genährten Brüder auf Brüder, Söhne auf Väter; sie antworteten auf unsere flehentlichen Bitten zuletzt mit Kartäscherkugeln. Tausende haben geblutet, das Todesröcheln unserer Brüder hat uns aus dem Schlafe gerüttelt, aus maßloser Schmach gerissen. Das System der Willkürherrschaft ist zerbrochen, wir sind mündig und Männer geworden, welche frei und unabhängig von buchgelehrten Theorien, von klügelnder Weisheit besternter Vormünder an der Hand der Erfahrung ihre Angelegenheiten selbst leiten, ihr Geschick selbsttätig schaffen wollen. Fortan soll und wird die reine, vor dem Einflüstern der Bestechung geschützte Volksweisheit regieren.
Wir wollen und müssen vor allem dem Geschicke unserer armen Brüder unsere Kräfte weihen, sie sind als Arbeiter die große Mehrzahl des Volkes. Unsere Vertreter im National-Parlament zu Frankfurt a.M. sollen nie vergessen dürfen, dass alles für und durch das Volk geschehen müsse, dass der Volkswille souverän und die künftige Regierung nur ein vom Volke geschaffenes Organ sei.
Unsere Vertreter werden unsere Gesetzgeber sein, sie werden über das Schicksal unserer armen Arbeiter, über Gewerbe, Handel, Ausgleichung von Produktion und Konsumtion, über Sicherstellung und volle Anerkennung der Arbeit wider die brutalen Einflüsse des Kapitals, über Erweiterung deutscher Verkehrs- und Absatzmittel, über Erlangung eines notwendigen überseeischen Gebietes, Konsular- und Flaggenschutzes, über Bürgschaften für den in Amerika zu gründenden deutschen Filialstaat zu entscheiden und zu wachen und alle störenden Hindernisse zu beseitigen haben, wo dieselben auch angetroffen werden.
Brüder! Brave Ackerwirte, Handwerker und Arbeiter in Stadt und Land, seid wach und rührig bei der Wahl der Vertreter, welche ihr nach Frankfurt a.M. und Berlin schicken werdet; hütet euch vor Missgriffen in der Wahl; wählet keine Anhänger des alten Regimentes, wählet Männer, welche mannesmutig und entschlossen den Kampf mit Euren Peinigern bestehen wollen.
Brüder! Auch der letzte Versuch der Willkür ist gescheitert. Die vom abgelebten, unnatürlich gegliederten Landtage vorgenommenen Wahlen sind ungültig. Ihr sollt und werdet selbst frei und unabhängig wählen, seid wach und weichet vor allen Bestechungen, Drohungen, Versprechungen und Einflüsterungen mutig zurück; es gilt Eure ganze Zukunft, Euer und Euer Kinder Lebensglück. Ich rufe Euch wiederholt zu, hütet euch vor den Herrendienern und Anhängern des alten Systems, wählet Männer von Entschiedenheit und Liebe für die Freiheit. Ihr seid an keine Provinz, keinen Bezirk, Kreis oder Stadt gebunden. Ihr dürft Euch den Wahlkandidaten im ganzen Vaterlande suchen. Seid wach, denn ganz Europa harret mit Spannung auf den Ausgang der Wahlschlacht in Preußen.
Haldendorf bei Oppeln
F.W. Schlöffel
Die vielfachen Entstellungen und Verwechslungen, welche bei Mitteilung der von uns am Sonntag, dem 17., auf hiesiger Pfingstweide gehaltenen Reden stattgefunden haben, veranlassen uns, um unsere Wähler und des deutschen Volkes willen, dieselben aus unserm Gedächtnisse ihrem wesentlichen Gedankenzuge und Inhalte nach in derjenigen Reihenfolge hier wiederzugeben, in welcher dieselben gehalten worden sind, wobei wir versichern, dass kein entscheidendes Wort vergessen worden [ist]. […]
1. Rede des Abgeordneten Schlöffel
Wie die Verwundung eines einzelnen Gliedes den ganzen Körper schmerzhaft berührt und verstimmt, so äußert sich auch in dieser großen Versammlung ein Zeichen von Teilnahme und Verstimmung über die Niederlage, welche die Minorität durch den am 16. In der Waffenstillstandsfrage gefassten Beschluss erlitten hat. Diese Teilnahme gereicht mir und meinen politischen Freunden zum Troste, denn wir werden durch sie in der Überzeugung bestärkt, dass wir dem Volkswillen gedient und damit unsere Pflicht erfüllt haben. Ich will nicht davon sprechen, wie große und welche Gefahren mit Anerkennung des von einer partikularen Regierung geschlossenen Waffenstillstandes der so oft besprochenen Einheit, der neu geschaffenen Zentralgewalt von Deutschland drohen. Sie, meine Freunde, kennen dieselben und teilen unsere Überzeugung, dass alle Freunde der Freiheit treu zusammenstehen und festhalten müssen an den Errungenschaften der Revolution, wie große und welche Anstrengungen auch von den Feinden der Freiheit gemacht werden und woher dieselben auch kommen. 33 Jahre hat das deutsche Volk in unerträglicher Sklaverei maßlosen Druck geduldig erlitten, bis es endlich aus ununterbrochenem politischem Sterben zu neuem Leben sich ermannte, eingedenk des Spruches: „Wem von Kanonenmund ein rasches Schicksal blitzt, der stirbt den raschen Tod im frischen Lauf der Stunden, doch auf wem Liliput mit tausend Nadeln sitzt, der stirbt Millionen Mal an Millionen Wunden.“ Freunde! Auch wir wollen mit allen deutschen Brüdern immerdar wach bleiben und der errungenen Volkssouveränität uns würdig zeigen. Wenn feindliche Hände uns die Früchte der Revolution entreißen und Liliputs mit Nadelstichen uns quälen wollen, dann lasst uns und alle deutschen Männer des Spruchs eingedenk sein: „Wem vom Kanonenmund sein letztes Schicksal blitzt, der stirbt den raschen Tod im frischen Lauf der Stunden“, dann wollen wir als freie Männer die Schande mutig abwehren.
[…] Wenn das wahr ist, dass wir im März in eine andere Phase getreten sind, wenn wir nicht einen Strich gemacht haben bei der sogenannten Bourgeoisie und gesagt haben: Bis hierher sollen die Segnungen der Revolution gehen und weiter nicht, dann werden Sie denen gerecht, die hinter dieser Linie stehen. Das deutsche Volk, meine Herren, lässt sich nicht mehr irritieren, es sagt: Das Revolutionsrecht besteht, und es besteht solange, bis wir zu unseren Rechten und Ehren gekommen sind […]. Das deutsche Volk lässt sich durch keine Bajonette und Kanonen, und wenn Sie alle Erz- und Bleiminen hierzu nehmen, nicht mehr irritieren, ich versichere Sie, es lässt sich nicht mehr abhalten, sein Recht gründlich zu verfolgen. […] Das deutsche Volk weiß noch mehr, es kennt die Allmacht der Vernunft der Revolution, es weiß, die Revolution ist so spitz, dass sie sich durch alles durcharbeiten wird. Die Revolution hat die erschlaffte Majorität zum Erwachen gebracht, sie hat sie aus den Winden gelöst. […] Weiterlesen
Herr Schneer hat uns gesagt, wenn wir so ohne weiteres auf eine Aufhebung der Feudalrechte, die seit Jahrhunderten bestehen und recht erkleckliche Einnahmequellen für die Minorität – die Besitzenden – waren, dringen, so wird dies eine Missachtung des Eigentums involvieren. Nun, meine Herren, was begreifen wir unter Eigentum, und wie sind die Leute dazu gekommen? Wer könnte bestreiten, dass die Leute, welche in sehr großem besitze sind, denselben mehr oder weniger dadurch erlangt haben, dass man die Majorität, die unzurechnungsfähig, die man in jeder Beziehung gedrückt hat, in ihrer Kulturentwicklung künstlich gehemmt und abgehalten hat, Eigentum zu erwerben. Dieser Mangel an Kulturentwicklung der Majorität war das Hindernis zur Eigentumserwerbung. […] Meine Herren! Wenn Sie nicht in Abrede stellen, dass ein sehr großer Teil verarmt und, wenn er ein Eigentum besessen hat, desselben beraubt worden ist durch schlechte Institutionen, durch mangelhafte Regierungsmaßregeln, wenn Sie die Massenverarmung nicht leugnen können, so können Sie auch die Verpflichtung nicht in Abrede stellen, welche Sie zur Remedur dieser traurigen Zustände haben. Die Bauern und arme Rustikalen, sie rufen Ihnen, meine Herren, jetzt mit großer Zuversicht zu: Wir sind zu dem Bewusstsein gekommen, dass wir ein Teil des großen Ganzen sind und dass wir an den Segnungen aller Wohltaten sozialer, d.h. vernünftig geordneter Gesellschaftsverhältnisse vollen Anteil haben. Diese Bauern, sage ich, werden jetzt nicht aufhören, zu petitionieren und den Beweis für die Begründung ihres guten Rechts zu führen, aber vielleicht in veränderter Art, wie es bisher geschehen ist. Täuschen wir uns nicht, meine Herren, das lecke Staatsschiff muss gestopft werden, wenn es nicht untergehen soll, und daher habe ich, obgleich beteiligt bei der Sache und obgleich mir bedeutende Verluste durch diesen Antrag in Aussicht stehen, dennoch am 25. Mai beantragt:
„In Erwägung:
dass die Errungenschaften der Revolution ein Gemeingut aller im deutschen Vaterlande sein müssen;
dass die Bevorrechteten nach nur zu langem Genusse der Vorrechte sich endlich auch des Restes der Feudalrechte entäußern müssen;
dass Arme wie Reiche unter ein Gesetz und unter einen Richter gestellt und vor dem Gesetze gleich beurteilt und behandelt werden müssen;
dass fortan, im Interesse des gemeinsamen Vaterlandes und seiner Angehörigen, Gemeinwesen und Gemeinsinn aufleben müssen;
wolle die konstituierende Nationalversammlung beschließen:
1) Die Gleichheit aller vor dem Gesetze durch
2) das Aufhören aller Vorrechte, welchen Namen diese auch haben;
3) die Aufhebung der Patrimonial- und Polizeigerichtsbarkeit, des Kirchen- und Schulpatronatsrechtes – soweit solches von einzelnen Staatsbürgern als größerer Grundbesitzer ausgeübt worden ist;
4) die Aufhebung aller Feudallasten ohne Entschädigung, sie mögen in baren oder persönlichen Leistungen bestehen;
5) die Aufhebung des den sogenannten Rittergutsbesitzern zustehenden Jagdrechtes;
6) die Aufhebung des eximinierten Gerichtsstandes.“
Ich vermisse in der Zusammenstellung der auf diesen Artikeln bezüglichen Anträgen diesen Antrag von mir; ich erlaube mir daher, ihn nachträglich dem Präsidium zu übergeben.
Meine Herren! Täuschen wir uns nicht, retten wir unsere Brüder, ehe sie sich selbst retten, der Löwe ruht nur, er schläft nicht, er ist gewiss wach, wenn wir nichts für ihn tun! […]
An das deutsche Volk!
Deutsches Volk! Bis in die entferntesten Gaue Deines Landes ist der Name des Mannes gedrungen, der aus dem Arbeiterstande durch die Kraft seines Geistes sich emporgeschwungen hatte zu einem der vordersten Kämpfer für die heilige Sache der Freiheit.
Der beredte Mund, dessen Worte tief ergriffen, weil sie aus dem Herzen kamen, hat sich geschlossen; geschlossen durch eine Gewalttat, einen Mord, begangen mit kaltem Blute, mit Beobachtung sogenannter gesetzlicher Formen.
Du weißt, deutsches Volk, was dieser gemeuchelte Held Deiner jungen Freiheit für diese Freiheit getan. Klar in Gedanken, entschieden im Wollen, entschlossen im Handeln, trug er das Banner voran in dem Kampfe, in welchem er glorreich gefallen ist.
Was er getan während des Zeitraumes eines langen Druckes, was er gewirkt seit der Märzrevolution in dem Parlamente, in dem Fünfzigerausschusse, in der Nationalversammlung – mit unauslöschlicher Schrift ist es in aller Herzen eingetragen.
Die Begeisterung für die Sache der deutschen Freiheit und der Auftrag seiner politischen Freunde führte ihn nach Wien. Er focht an der Spitze des Elitekorps, dessen Führung ihm von dem Oberbefehlshaber anvertraut wurde. Als die Kapitulation Wiens abgeschlossen war, legte er die Waffen, die er mit Heldenmut geführt hatte, nieder. Vier Tage nach Beendigung des letzten Verzweiflungskampfes, an welchem er, dem gegebenen Wort treu, keinen Anteil mehr nahm, wurde er verhaftet. Man übertrat mit frechem Hohne das Gesetz, welches die Vertreter der deutschen Nation vor jeder von der Nationalversammlung nicht genehmigte Verhaftung schützen sollte und achtete der Berufung nicht, welche er, gestützt auf dieses Gesetz, gegen seine Verhaftung einlegte.
Deutsches Volk! Deine Ehre, Dein Recht trat man mit Füßen, als man Deinen Vertreter gegen das Gesetz verhaftete! Deiner Freiheit hat man eine tödliche Wunde geschlagen, als man einer Deiner würdigsten Söhne mordete!
Am vierten Tage seiner Verhaftung, acht Tage nach der völligen Einnahme Wiens, am 9. November, wurde Robert Blum standrechtlich in der Brigittenau erschossen!
Nicht in der Aufwallung tobender Leidenschaft, nicht in dem Getümmel des Kampfes wurde der Mord verübt; nein! Er wurde verübt von denjenigen, welche sich Werkzeuge des Gesetzes, Hersteller der Ordnung, Begründer gesetzlicher Freiheit nennen!
Deutsches Volk! Trauern wirst Du über den unersetzlichen Verlust, den Du erlitten! Vergiss des Toten nicht und erinnere Dich, wie er starb, für welche Sache er starb und durch wen er gemordet wurde!
„Denkschrift als Unterlage für die Petition den achten schlesischen Provinziallandtage überreicht“, Leipzig 1845.
Mein Prozess wegen Anklage auf Hochverrat, Heidelberg 1846.
An Preußens Wahlmänner, Haldendorf bei Oppeln, Anfang 1848.
Preußen durch seine Aristokratie Deutschlands größter Feind, Leipzig 1850.
Ein Wort über die gegenwärtige Gesellschaftslage der nordamerikanischen Freistaaten, Philadelphia 1957.
Best, Heinrich / Weege, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 8), Düsseldorf 1996, S. 296.
Bleiber, Helmut: Schlöffel, Friedrich Wilhelm, in Neue Deutsche Biografie 23, 2007, https://www.deutsche-biographie.de/sfz113136.html#ndbcontent.
Bleiber, Helmut: Friedrich Wilhelm Schlöffel (1800-1870): Ein schlesischer Vormärzoppositioneller, in: Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, hg. von Helmut Bleiber / Walter Schmidt / Susanne Schötz, Berlin 2003, S. 619-675.
Bleiber, Helmut: Vormärzliches aus Schlesien. Wilhelm Stieber, Friedrich Wilhelm Schlöffel und seine Kinder. In: Wissenschaftsgeschichte und Geschichtswissenschaft. Aspekte einer problematischen Beziehung. Wolfgang Küttler zum 65. Geburtstag, Waltrop 2002, S. 292–308.
Schulz, Ursula.: Die Abgeordneten der Provinz Schlesien im Frankfurter Parlament (Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band 12), 1967.
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